Ruth Schweikert – Cécile Wajsbrot
Brief nach Zürich versendet (Wajsbrot an Schweikert)
Paris, den 18. August 2016
Liebe Ruth,
Dein Brief ist gut angekommen; während ich ihn lese, strömen Tausende Gedanken auf mich ein, da man aber unmöglich alles sagen kann, will ich versuchen die verschlungenen Lianen ein wenig zu entwirren.
Wir leben in einer Epoche, in der die Ereignisse sich scheinbar überstürzen: Kaum ist ein Gedanke ausgesprochen, wird er vom nächsten Ereignis bereits widerlegt. Auf der Oberfläche der Welt ereignet sich seit jeher immer irgendetwas zu jedem Moment. Was sich jedoch seit der Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg verändert hat, der unsere existenzielle und geistige Referenzgröße ist – Hannah Arendt, die Du zitierst, hat diese Welt gedacht, in dieser Welt gedacht – was sich jedoch verändert hat und vielleicht einen Übergang zwischen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und dem beginnenden 21. Jahrhunderts markiert, ist die Geographie der Ereignisse. Europa hat seit 1945 keinen Krieg gekannt – dies war der Sinn, das Ziel der Europäischen Union –, so zumindest ein weit verbreiteter Eindruck, der nicht unbedingt der Wahrheit entspricht, denn schließlich hat es den Kalten Krieg gegeben – ich erinnere mich an meine Kindheit, in der wir in der ständigen Angst vor einem Dritten Weltkrieg gelebt haben –, die Niederschlagung des Arbeiteraufstands in Ostberlin im Jahr 1953, den Einmarsch der Sowjetarmee in Budapest im Jahr 1956, den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in Prag im Jahr 1968, und dann die Jugoslawienkriege in den 1990er Jahren. Ganz zu schweigen von den Kolonialkriegen, in die England und vor allem Frankreich verwickelt waren. Man kann also schwerlich sagen, es hätte zwischen 1945 und dem Ende des Jahrhunderts in Europa universellen Frieden gegeben, aber davon abgesehen, dass diese Dinge nichts mit der riesigen Umwälzung zwischen 1939 und 1945 zu tun hatten, galt doch zumindest für das westeuropäische Gebiet und entsprechend für Frankreich, das ehemalige Westdeutschland oder die Schweiz.
Seit einigen Jahren, einer Epoche, die man praktisch mit beim Beginn des 21. Jahrhunderts, beim 11. September 2001 ansetzen kann, aber das alles hat schon weit vorher und anderswo als in New York begonnen, vielleicht schon im Jahr 1989 – hat nicht Eric Hobsbawm das 20. Jahrhundert als das kurze Jahrhundert bezeichnet, es 1914 beginnen und 1989 enden lassen? – seit einigen Jahren sind jene friedlich wirkenden, von der Gewalt der Welt verschonten Orte zum Synonym der Angst geworden. Und die Fragilität, um zu dem Wort zu kommen, das uns beschäftigt, erstreckt sich nun scheinbar bis zu uns. Ich benutze das Wort scheinbar, denn, wie Du sagst, wohnt die Fragilität dem Leben, der Conditio humana inne. Nur würde man dies manchmal zu gern vergessen und lebt so, als wäre man unverwundbar.
Paris, von wo aus ich Dir schreibe, war bis vor kurzem die Welthauptstadt des Tourismus. Zumindest vertrat man diese Ansicht in Frankreich – auch wenn in anderen Ländern eher von London die Rede war. Ich wohne am Fuß der Butte Montmartre, und seit einigen Jahren sehe ich, wie Touristengruppen und Reisebusse aus aller Welt die Straßen und den Boulevard füllen. Mit dem Wechsel der Regierungen im Herbst 1989 habe ich nach und nach Reisebusse aus Polen, aus Ungarn, aus der Tschechoslowakei gesehen, dann kamen Rumänien, die Ukraine, Weißrussland, Russland … Und gestern habe ich zum ersten Mal zwei iranische Reisebusse gesehen. Die geopolitischen Veränderungen schlagen sich unmittelbar und auf ganz konkrete Weise nieder, die Normalisierung der Beziehungen mit dem Iran hat dazu geführt, dass sich in Europa, in Paris ein iranischer Tourismus entwickelt hat. Ich finde es immer bewegend, die Spuren des Weltgeschehens im Alltag zu entdecken. Und so durchströmten die Fluten der immer zahlreicheren Touristen zunächst die großen Hauptverkehrsadern, bevor sie allmählich in die Nebenstraßen sickerten.
Aber wenn man jetzt an Paris denkt, denkt man an die Attentate von 2015. Zu den einschneidenden Bildern vom 13. November gehören für mich die menschenleeren Straßen am Tag danach, die weniger Ausdruck der Angst als der Niedergeschlagenheit waren; in dem Viertel, in dem ich lebe, zwischen Pigalle und Montmartre, blieben am Samstagabend, dem 14., alle Cafés geschlossen, niemand war draußen. Schweigen. Weniger tragisch zwar als die Leichen und Blumen vor dem Bataclan, weniger explizit als die Inschriften auf dem Denkmal an der Place de la République, eine harmlose Folge, aber äußerst beredt … Und wenn am Morgen des 14. November doch vereinzelt Leute in den Straßen auftauchten, waren es Touristen, die ihren Koffer hinter sich hier zogen und sich eilig Richtung Bahnhof oder Flughafen begaben, um so schnell wie möglich nach Hause zu reisen. Bereits am Sonntag war das Leben wieder in Paris eingekehrt, die Cafés wieder geöffnet, darin Platz zu nehmen fühlte sich beinahe an wie ein Akt des Widerstands, aber die Verletzung war da. Dasselbe habe ich in Brüssel gesehen, wo ich im März war, während der Attentate. Zuerst zieht sich die Stadt ins Schweigen zurück, wie ein verletztes Tier, die Straßen sind menschenleer, Militärs und Polizisten durchstreifen sie, das Gewehr im Anschlag, wie ein Emblem für das vergossene Blut, wie ein Fallgitter, eine Zugbrücke, die hochgezogen wird.
In diesem Jahr sollen die Touristenzahlen aufgrund der Attentate um schätzungsweise 15 % zurückgegangen sein. Und in diesem Jahr beschleicht einen aufgrund der zahlreichen Angriffe auf Nizza, Köln, Würzburg nun überall das Gefühl des Ausgeliefertseins. Das Prekäre des Lebens war früher mit fernen Namen verknüpft, Kabul, Beirut, Pakistan, Afghanistan. Seit einiger Zeit trägt die Gefahr den Namen unserer Städte.
Aber beinahe noch beunruhigender als die Gefahr oder zumindest genauso beunruhigend sind die Reaktionen auf die Gefahr. Ich habe keine Lust jene Wörter zu verwenden, die man im Radio hört und täglich in den Zeitungen liest, Terrorismus, radikaler Islamismus, Krieg. Mit solchen Bezeichnungen will man ganz offensichtlich jegliche Reflexion, jegliches eigenständige Denken vermeiden. Die Reaktionen auf die Gefahr, auf die Wörter, die man hört, Sicherheit, absolute Sicherheit – als könnte es die jemals geben. Die Negation selbst des Fragilen. Seit dem Abend des 13. November ist in Frankreich der Notstand verhängt. Das ist keine Metapher, es ist eine politische Entscheidung, die zunächst für zehn Tage aus der Not heraus gefällt wurde. Ihre Verlängerung um drei Monate wurde vom Parlament beschlossen, und seitdem hat es zwei weitere Verlängerungen gegeben, nach dem Fußball-Euro wollte man diesen Ausnahmezustand eigentlich beenden, aber nach dem Attentat von Nizza wurde der Notstand wieder verlängert, diesmal für sechs Monate. Anstatt festzustellen, dass sich das Attentat trotz des Notstands ereignet hat, dass dieser nichts verhindert hat, befand der Präsident Hollande, man könnte es sich in einem derart psychologischen Moment nicht erlauben, aus der Deckung zu kommen. Die Falle, in die er getappt ist, funktioniert hervorragend. Man kann mühelos voraussagen, dass es eine weitere Verlängerung geben wird, um die Wahlkampagne für die Präsidentschaftswahlen im Mai 2017 abzudecken (die Regierung wird Angst haben, dem Front National Argumente in die Hände zu spielen, zumal dieser unaufhörlich die mangelnde Autorität des Staates und die Sicherheitslücken beklagt), und der nächste Präsident, wer auch immer das sein wird, wird gewiss nicht den Mut und vielleicht auch nicht den Wunsch haben, den Notstand gleich bei der Amtsübernahme auszusetzen. Somit wird es nie einen Grund geben, den Notstand auszusetzen, denn, um mit ihren Worten zu sprechen, es wird nie absolute Sicherheit geben und auch kein Nullrisiko. In der Zwischenzeit werden die Straßen von Paris flächendeckend von Polizisten und Militärs überwacht, was die Touristen tatsächlich in die Flucht schlägt. Und es ist davon die Rede, dass beim nächsten Schulbeginn, Anfang September, auch die Schulen von der Polizei bewacht werden sollen. Wie wäre es erst, wenn sich das Land tatsächlich im Krieg befände? Einige behaupten im übrigen, wir wären im Krieg – ein Wettrüsten der Sprache. Aber wenn sich ein Land im Krieg befindet, wie mir Andrej Kurkow sagte, als wir uns am 22. März, dem Tag des Attentats, gemeinsam in Brüssel befanden und durch die Straßen von Molenbeek gingen, wenn ein Land im Krieg ist, sind die Soldaten nicht in der Stadt, sondern an der Front. Dieses militärische Aufgebot, die Beschneidungen der Freiheit, die der Ausnahmezustand einem rechtlich beschert – und den weder die Belgier nach Brüssel, noch die Briten nach London, noch die Spanier nach Madrid verhängt haben –, das alles sollte eher Angst bereiten. Seit gut zwanzig Jahren stehen die Synagogen unter Polizei- und Videoüberwachung. Seit Jahren fällt mein erster Blick bei der Ankunft in Paris, wenn ich aus Berlin zurückkehre, wo ich teilweise lebe und wohin ich mit dem Zug fahre, auf die Militärs im Bahnhof. Und anstatt zu verschwinden dehnt sich die Überwachung auf weitere Kultstätten aus – auf Moscheen und, warum nicht, nach dem Mord an dem Priester in Saint Etienne-du-Rouvray, auf die Kirchen –, auf die Wohnhäuser, in denen Persönlichkeiten leben, die zur Zielscheibe werden könnten, auf weitere öffentliche Räume, auf die Straße. Überwachen ist zur Gewohnheit geworden, ich weiß nicht einmal, ob die Leute den regelmäßigen Patrouillen – wie soll man sie sonst nennen – überhaupt noch Beachtung schenken, sie sind Teil der Landschaft geworden. Ich habe Ende der 1970er Jahre Militärs in den Straßen von Prag gesehen, Soldaten der Roten Armee, ich habe Ende der 1980er Jahre die Militärpolizei in Brasilien gesehen. Heutzutage Militärs in den Straßen von Paris zu sehen weckt in mir ein Gefühl des Unbehagens. Es ist niemals harmlos, wenn die Armee oder die Polizei in der Stadt präsent ist – ganz gleich, wie man das begründet … Doch dieses Gefühl wird nur von einer Minderheit geteilt. Offenbar beruhigt es die Leute, obwohl es sie alarmieren sollte.
Um diesen Brief zu beenden, um eine weitere Vorstellung von dem hier herrschenden Klima zu geben, möchte ich kurz erzählen, was sich vor einigen Tagen in Korsika, Sisco, ereignet hat. Einer ersten Version der Geschichte zufolge haben Frauen in einer Bucht im Burkini gebadet, jemand wollte sie fotografieren und daraufhin soll ein Streit zwischen Korsen und nordafrikanischen Männern entbrannt sein. Im Anschluss an diese Information haben mehrere Bürgermeister ein Burkini-Verbot an ihren Stränden erlassen, und der Premierminister Manuel Valls hat in einer Pressemitteilung verlautbart, er habe dafür Verständnis. Nach einigen Tagen stellte sich heraus, dass keine der Frauen einen Burkini getragen hatte, dass das Handgemenge auf andere Ursachen zurückging, auf den Versuch einer Handvoll Leute, sich den Ort anzueignen und allen anderen den Zugang zu verwehren. Eine wenig glorreiche Angelegenheit, die Schlagzeilen gemacht hat, weiter nichts. Anstatt abzuwarten und Genaueres in Erfahrung zu bringen, hat man vorschnell reagiert: das seit einiger Zeit in Frankreich herrschende Klima der Angst und seine krankhaften Folgen sind dadurch nur allzu deutlich geworden.
Auch wenn die Lektüre Deines Briefes mir zeigt, wie sehr Dich all diese Ereignisse betreffen, wie häufig Du Personen begegnest, deren Leben von den Ereignissen auf der Welt berührt wird, würde ich gern wissen, was Du fühlst, wenn Du siehst, was sich anderswo ereignet. Oder klarer ausgedrückt, hast Du das Gefühl, in einem neutralen Land zu leben? Hat diese Bezeichnung für Dich einen Sinn? Ich würde gern wissen, ob es fühlbare Zeichen für diese Neutralität in Zürich gibt – hast Du den Eindruck am Rand der Welt zu leben – oder ob dies nur leere Worte sind, da der Zugang zu den Nachrichten natürlich derselbe ist wie in Paris, Berlin oder anderswo in Europa.
Herzliche Grüße aus Paris, einer Stadt, die noch für wenige Stunden ruhig ist und auf die Rückkehr der Urlauber am Wochenende wartet.
Cécile
Aus dem Französischen übersetzt von Nathalie Mälzer
Paris, September 2016
Nachdem ein Termin im zwanzigsten Arrondissement etwas früher geendet und ich somit noch etwas Zeit hatte, beschloss ich zu Fuß ins achtzehnte Arrondissement, in mein Viertel, zurückzukehren. Es ist ganz einfach, man braucht nur dem Gürtel der Boulevards– einem verkappten Ring – zu folgen und schon kommt man vom zwanzigsten ins neunzehnte, vom neunzehnten ins achtzehnte.
Der Weg ist nicht immer angenehm – man geht an grauen Häuserwänden entlang, an seelenlosen Gebäuden, hier und da ein Café, das die Straße belebt, hier und da eine geschlossene Reihe mit Wohnhäusern. Aber ab Ménilmontant wird das Viertel lebendiger. Kinder rennen, vergnügen sich, die Schule ist aus. Bei Belleville ein Soldat, der feierlich eine Waffe hält. Er ist vor einer Schule postiert – einer jüdischen Schule. Das steht zwar nirgends, aber ein paar Jungs mit Kippa und die Anwesenheit des Soldaten weisen darauf hin. Was mögen die Kinder wohl denken, dass sie geschützt und bewacht werden müssen, um zur Schule zu gehen? Keines von ihnen sieht den Soldaten an, sie haben sich vermutlich an den Anblick gewöhnt, – aber ist das nicht das eigentlich Schlimme? Dass man mit einer möglichen Gefahr rechnet, als wäre dies eine normale, alltägliche Situation.
Belleville war früher – aber warum die Vergangenheitsform und was heißt früher – ein Viertel, in dem eine jüdische Gemeinschaft, die überwiegend zwischen den beiden Kriegen hergekommen war, mit einer jüngeren asiatischen und einer arabischen Gemeinschaft zusammenlebte. Ich verwende das Wort Gemeinschaft, obwohl ich es nicht sonderlich mag – aus Bequemlichkeit. Ich sollte nicht, denn es hat den Beigeschmack von Abgeschlossenheit, von Exklusion.
Und dann – aber vielleicht kennst du ja diese einst benachteiligten Pariser Viertel, die sich allmählich gentrifizieren – dann kommt der Kanal; und Stalingrad. Früher trafen sich am Abend hier, vor der Rotunde Ledoux, einem ausgesprochen schönen Bauwerk, die Dealer. Inzwischen sind sie weitergezogen, inzwischen befindet sich dort anstelle eines trostlosen Orts ein angesagtes Café, dessen von Bambus umgebene Terrasse sich auf dem Platz breit macht. Aber am Fuße der Bambuspflanzen liegen Gestalten, Leute auf Matratzen oder auf dem nackten Boden, und immer weiter, Leute, die auf dem Bürgersteig liegen, sich hier niedergelassen haben, manche mit runden Zelten in Blau und Grün. Vermutlich kommen sie aus dem Sudan, aus Eritrea, diesen Ländern, die sich im ewigen Krieg befinden. Auch hier in Paris herrscht ewiger Krieg, wenn auch in einer anderen Größenordnung natürlich. Zelte, Räumungen, eine Weile Leere, und dann beginnt alles wieder von vorn, Zelte, Räumungen und so weiter. Sie stehen an, dort, wo die Metro oberirdisch verläuft, ich komme näher, eine Volksküche. Jeder bekommt einer orangefarbene Suppe, in der ein bisschen Gemüse schwimmt, vielleicht sogar ein Stückchen Fleisch – ich habe nicht genau hingeguckt, ich wollte mich nicht zu lange aufhalten, nur ein wenig Geld geben – und ein halbes Baguette.
Das ist also aus Paris geworden, sagte ich mir, mit Tränen in den Augen und im Sinn. Kinder, die unter Militärschutz in die Schule gehen, Leute, die von weit her kommen, vor Hunger oder Krieg geflohen sind und hier auf der Straße leben müssen. Während der Platz unter der Metrobrücke an der Station la Chapelle, nachdem er für einige Monate ein regelrechtes afrikanisches Dorf beherbergt hat, zu beiden Seiten abgesperrt ist, um den Ort vor jedem weiteren Versuch der Aneignung zu schützen, aufgespannte weiße Planen, das alles bewacht von einer Sicherheitsfirma. Das ist also aus Paris geworden. Eine Stadt, die es nicht versteht, Menschen zu empfangen, eine Stadt, die es nicht versteht, sich zu öffnen, eine Stadt – aber natürlich betrifft es das ganze Land –, die Angst hat. In Wahrheit fragil ist.
Am Abend, auf einer luftigen Avenue, in der die wohlhabenden Leute leben, waren die Restaurants und Cafés gut gefüllt. Alle plauderten friedlich miteinander. Wussten sie nichts von dem, was ich gesehen hatte? Oder taten sie so als ob? Konnte, wer mich ansah, wissen, was ich dachte? Der Schein kann trügen, aber an diesem Tag kam mir Paris wie eine Stadt vor, die aus mehreren unverbundenen Städten bestand, mir war, als müsste ich, um von einer zur anderen zu gelangen, Grenzen, Zollgrenzen überschreiten und andere Sprachen sprechen.
Inzwischen wurde das Lager – ist das das richtige Wort? Jedenfalls wird es verwendet – von Stalingrad geräumt und die Bürgersteige sind erneut leer. Eine ständige Bewegung. Denn schon kurz darauf, nur etwas weiter weg, füllen sie sich wieder. Beeindruckend, diese spontane Errichtung von ganzen Dörfern, diese unmittelbar entstehende Solidarität, diese Menschen, die auf etwas warten – auf eine Zukunft?
Ich weiß nicht, wann es begonnen hat. Aber es ist Jahre her, fünfzehn Jahre vielleicht oder mehr, dass die Leute angefangen haben, die Straßen zu belagern. Leute? Belagern? Ich bin mir dieser sprachlichen Approximationen durchaus bewusst. Sagen wir, am Anfang gab es ein paar Menschen, die draußen schliefen und die man damals als SDF – Obdachlose – bezeichnete, als Menschen ohne festen Wohnsitz. Sagen wir, als ich Adornos Satz über die Lager als einer Art Vorgeschmack auf das künftige Leben, über die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts als das der provisorischen Unterkünfte las, fand ich ihn prophetisch – aber was sollte man dann von diesem beginnenden 21. Jahrhundert halten? Gefangenen-, Auffang-, Internierungslager, in denen man die Flüchtlinge sammelt. Unterkünfte. Wie viele Millionen Personen leben in diesen Provisorien? Und um auf Paris zurückzukommen: Es dauert nicht mehr lange, bis man in jeder Straße nicht mehr nur Leute sieht, die mit einem Pappbecher für Almosen und einem Schild auf dem Bürgersteig sitzen, auf dem schlecht geschriebene, falsch buchstabierte Wörter stehen – ich habe Hunger, für meine Kinder, bitte –, bis man nicht mehr nur sitzende Leute, sondern in jeder Straße eine Gestalt unter einer Rettungsdecke, in einem Schlafsack liegen sieht, daneben etwas Nahrung und Plastiktüten, jeden Abend, jeden Morgen und am Nachmittag ein paar Habseligkeiten, die mit einer behelfsmäßigen Plane zugedeckt sind, um sie vor begehrlichen Blicken zu schützen. Denn jene, die fast nichts mehr haben, besitzen immer noch Dinge, die ihnen gestohlen werden könnten. Die Straße ist kein Ort des geselligen Miteinanders. Und ich spreche hier nicht von Familien, die in Autos leben, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können. Und durch diese Geisterstadt, die unaufhörlich weiter wächst, gehen wir hindurch, wir, die Formulare ausfüllen können, auf denen wir ohne Zögern unsere Adresse eintragen, als wäre dies eine Selbstverständlichkeit, als gehörte sie zu uns, als könnte sie uns nie entzogen werden, ohne recht daran zu glauben, ich meine, natürlich sehen wir, wie sie sich immer weiter ausdehnt, aber wir tun weiterhin so, als wäre nichts, als wären sie die Ausnahme und wir die Regel, während das Pendel ganz allmählich zu ihrer Seite ausschlägt.
Fragil – wenn ich dieses Wort höre, denke ich an diese Schattenstadt. An die Gefahr, die zunächst unsichtbar war oder, besser gesagt, kaum sichtbar, und die nun Gestalt annimmt – sagt man nicht von den Abgeschobenen, dass sie an den Rand gedrängt werden, an den Straßenrand? Nun, inzwischen bewohnen sie den Straßenrand. Und sie sind die Ankündigung, das Bild, die Metapher der Gefahren, die wir auf uns zukommen sehen, ohne sie wirklich kommen zu sehen, und die ihren Weg deutlich sicherer fortsetzen als wir, die ihn mit geschlossenen Augen auf einem vorgezeichneten Weg zurücklegen.
Die Gesellschaft zerfällt, Europa zerfällt, Mauern ersetzen allmählich die Brücken, und Wörter wie Verkehr und Fluss werden bald ungebräuchlich werden oder auf ein goldenes Zeitalter verweisen, nach dem die Welt sich einst zurücksehnen wird.
Ich erinnere mich an eine Lektüre in den siebziger Jahren, ich glaube es war ein Roman von Doris Lessing – hast Du ihn gelesen? –, die Memoiren einer Überlebenden hieß er. Er beschreibt eine Gesellschaft, in der Jugendbanden London in Besitz nehmen. Die Bewohner fliehen aus einer Stadt, in der Gewalt und Chaos herrschen. Zu jener Zeit war Gewalt auf den Straßen noch ein marginales Phänomen, zu jener Zeit lebten in Paris nur jene unter den Brücken, die man Clochards nannte. Aber Doris Lessing hatte den sich abzeichnenden Niedergang vorhergesehen, und ist es nicht das Wesen der Literatur, das Unsichtbare in sich zu bergen oder besser gesagt das, was noch nicht sichtbar ist, aber erahnt werden kann, wenn man ein Auge und ein Ohr für das hat, was sich um einen herum ereignet? Denn der Schriftsteller ist ein Leuchtturmwärter, der von seinem Turm aus Wache hält, ringsumher das Meer absucht und als erster jenes Boot entdeckt, das Schiffbruch erleiden wird. Er kann nicht einschreiten, aber er schlägt Alarm, in der Hoffnung gehört zu werden und dass von der Küste Rettungsboote entsandt werden – auch wenn der Schriftsteller, wie bei Doris Lessings Roman, oft nichts verhindern kann, bleibt er doch für die Zukunft Zeuge dieser Wachsamkeit, die die nachfolgenden Autoren, die nachfolgenden Leser anspornt, noch genauer hinzusehen und noch genauer hinzuhören.
Paris, der 14. Oktober 2016
Liebe Ruth,
ich hatte diese Worte, diese Gedanken aufgeschrieben, um sie nicht zu vergessen, wenn ich auf Deinen Brief antworten würde, aber Dein Brief ist nicht gekommen und so erlebe ich die Merkwürdigkeit dieses Schweigens. Fragil ist auch die Kommunikation zwischen den Menschen. Eine Verbindung deutet sich an, ein Briefwechsel – aber die Umstände des Lebens führen dazu, dass nichts jemals sicher ist. Ich hoffe, es geht Dir gut. Ich hoffe, dass diese Verzögerung auf nichts Ernstes, auf keine Gesundheitsprobleme hindeutet, sondern nur auf einen übervollen Zeitplan. Ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel, dass ich Dir auf diese etwas persönliche Weise schreibe. Wir leben so, als wäre alles selbstverständlich, als wäre jeder Tag die Folge der vorangegangenen, als könnte nie etwas in Frage gestellt werden. Es ist eine Notwendigkeit – die Notwendigkeit beruhigender Gewohnheiten – und zugleich eine Behinderung. Eine Art und Weise, die Vergangenheit etwas häufiger zu betrachten als die Zukunft. Wurde nicht auch Europa auf der Vergangenheit anstatt auf der Zukunft errichtet? Ist dies nicht die Erbsünde, die ihr heute diese Einschränkungen auferlegt? Natürlich gab es ursprünglich ein Zukunftsziel, das europäische Aufbauwerk, hieß es. Die Vereinigung der Länder eines selben Kontinents. Aber auch wenn einige eine föderalistische Vision hatten und den Wunsch hegten, die Grenzen aufzuheben, so gründete sich dieser Aufbau doch vor allem auf eine Negierung – nie wieder Krieg – mit Bezug auf die Vergangenheit. Und nachdem man sich mit dieser Negierung, mit diesem Bezug auf die Vergangenheit und einer relativen Freizügigkeit der Waren, Güter und Menschen begnügt hatte, nachdem dieser Bezug obsolet geworden war – denn der Krieg zwischen den europäischen Ländern lag glücklicherweise weit zurück –, war es da nicht unvermeidlich, dass der europäische Gedanke für die meisten Leute hohl klingen würde?
Wir leben heute so, als wäre alles selbstverständlich, als wäre der vergangene Tag das Modell für die kommenden Tage. Als könnte jedes angefangene Ding immer zu Ende geführt werden. Das Schweigen ist wie eine unsichtbare Mauer, an die sich das Denken, die Sprache stoßen. Plötzlich erkennt man die Eitelkeit der Dinge, die man so oft zu verdrängen sucht. Plötzlich fehlt etwas und die Leere dehnt sich aus. Dies gilt für einen Freund, der kein Lebenszeichen mehr von sich gibt, ebenso wie für eine endende Liebe – wie auch für einen vorübergehend unterbrochenen Briefwechsel. Ja, ich hoffe, es geht Dir gut, und wäre beruhigt, deine Antwort zu erhalten.
Herzlichst,
Cécile
Text: Cécile Wajsbrot
Übersetzung aus dem Französischen: Nathalie Mälzer, n.maelzer@gmx.de
Brief nach Paris versendet (Schweikert an Wajsbrot)
Paris, le 14 octobre 2016
Chère Ruth,
j’avais déposé ces mots, ces pensées, pour ne pas oublier, au moment de répondre à ta lettre mais ta lettre n’est pas arrivée et j’éprouve l’étrangeté du silence. Fragile la communication, aussi, entre les êtres. Un lien s’ébauche, une correspondance – mais les circonstances de la vie font que rien n’est jamais sûr. J’espère que tu vas bien. J’espère que ce délai n’est pas dû à des choses graves, à des problèmes de santé, mais seulement à un emploi du temps surchargé. J’espère que tu ne m’en veux pas de t’écrire de façon un peu personnelle. Nous vivons comme si tout allait de soi, comme si chaque jour était la suite des autres jours, comme si rien ne pouvait jamais être remis en cause. C’est à la fois une nécessité – le besoin d’habitudes qui rassurent – et un empêchement. Une façon de regarder plus souvent le passé que l’avenir. Et au fond, l’Europe ne s’est-elle pas construite sur le passé plutôt que sur l’avenir ? N’est-ce pas le péché originel qui l’entrave aujourd’hui ? Bien sûr, il y avait, au départ, une visée d’avenir, la construction européenne, disait-on. L’union des pays d’un même continent. Mais cette construction s’appuyait avant tout sur une négation – plus jamais la guerre – en référence au passé, même s’il existait chez certains une vision fédéraliste, la volonté d’abolir les frontières. Et n’était-il pas alors inévitable que, se contentant d’une négation, d’une référence au passé, et d’une libre circulation relative des marchandises, des biens, des êtres, une fois cette référence devenue obsolète – la guerre entre pays européens étant loin dans le temps, heureusement, désormais – n’était-il pas inévitable que l’idée européenne sonne creux pour la plupart des gens ?
Nous vivons comme si tout allait de soi, comme si le modèle des jours passés était celui des jours à venir. Que toute chose commencée puisse aller forcément à son terme. Le silence est comme un mur invisible contre lequel se heurte la pensée, le langage. Tout à coup on perçoit la vanité des choses, qu’on cherche si souvent à ignorer. Tout à coup quelque chose manque et le vide s’étend. C’est vrai pour un ami qui ne donne plus de nouvelles, c’est vrai pour un amour qui cesse – c’est aussi vrai pour une correspondance provisoirement interrompue. Oui, j’espère que tu vas bien et je serai rassurée de recevoir ta réponse.
Bien amicalement,
Cécile
Paris, septembre 2016
Sortant d’un rendez-vous dans le vingtième arrondissement avec un peu de temps devant moi, j’avais décidé de rentrer dans le dix-huitième arrondissement, où j’habite, à pied. C’est tout simple, il suffit de suivre la ceinture des boulevards – un Ring qui ne dit pas son nom – et on passe du vingtième au dix-neuvième, du dix-neuvième au dix-huitième.
L’itinéraire n’est pas toujours plaisant – il faut longer des murs gris, des bâtiments sans âme, quelquefois un café vient animer la rue, quelquefois les immeubles s’alignent sans interruption. Mais vers Ménilmontant, le quartier devient plus vivant. Des enfants courent, s’amusent, c’est l’heure de la sortie des écoles. Un peu plus près de Belleville, un militaire, hiératique, tenant une arme. Il stationne devant une école – une école juive. Ce n’est écrit nulle part mais quelques garçons portant une kipa et la présence du soldat la désignent. Que pensent ces enfants de devoir aller en classe sous protection, sous surveillance ? Aucun d’eux ne regarde le militaire, ils ont pris l’habitude, sans doute – et n’est-ce pas le pire ? Cette prise en compte d’un danger éventuel comme si c’était une situation normale, ordinaire.
Belleville était avant – mais pourquoi employer le passé, et avant quoi ? – un quartier où vivaient une communauté juive venue surtout entre les deux guerres, une communauté asiatique d’implantation plus récente, et une communauté arabe. J’emploie ce mot communauté, que je n’aime pas trop, par commodité. Je ne devrais pas car il a des relents de fermeture, des relents d’exclusion.
Et puis après – mais peut-être connais-tu ces quartiers autrefois déshérités de Paris et qui, lentement, se gentrifient eux aussi – il y a le canal, et Stalingrad. Avant, devant la rotonde de Ledoux, une si belle architecture, les dealers se rassemblaient au soir. Maintenant, ils ont trouvé d’autres territoires et c’est un café branché au lieu des zones glauques qui étale sa terrasse sur la place piétonne, délimitée par un rideau de bambous. Mais au pied de ces bambous, des formes allongées, des gens, sur des matelas ou à même le sol, et cela continue, des gens couchés sur le trottoir, installés, certains ont des tentes rondes, bleues, vertes. Ils viennent sans doute du Soudan, d’Erythrée, de ces pays en guerre perpétuelle. Ici aussi, à Paris, c’est une guerre perpétuelle même si ce n’est évidemment pas du même ordre. Installation, évacuation, et puis le vide quelque temps, et puis cela reprend, réinstallation, nouvelle évacuation et ainsi de suite. Sous le métro aérien, ils sont debout et font la queue, j’approche un peu, c’est une soupe populaire. Au sens propre. Chacun reçoit un potage orangé où surnagent quelques légumes, peut-être un peu de viande – je n’ai pas bien regardé, je ne voulais pas m’attarder trop, juste donner un peu d’argent – et une demi-baguette de pain.
Voilà ce qu’est devenu Paris, me disais-je, des larmes dans les yeux et dans la pensée. Des enfants qui vont à l’école sous protection militaire, des gens venus de loin et qui ont fui la famine ou la guerre, et qui doivent vivre ici dans la rue. Tandis que sous le métro aérien vers la station la Chapelle, qui fut quelques mois l’endroit d’un véritable village africain, des barrières de part et d’autre interdisent les lieux à toute tentative d’appropriation, des bâches blanches tendues, le tout sous la garde d’une société de surveillance. Voilà ce qu’est devenu Paris. Une ville qui ne sait pas accueillir, une ville qui ne sait pas ouvrir, une ville – mais c’est tout le pays, bien sûr – qui a peur. Fragile, en vérité.
Le soir, sur une avenue aérée où vivent des gens aisés, les restaurants et les cafés étaient pleins. Tout le monde bavardait paisiblement entre eux. Ignoraient-ils tout de ce que j’avais vu ? Ou faisaient-ils semblant ? En me regardant, qui pouvait savoir ce que je pensais ? Les apparences peuvent être trompeuses mais ce jour-là, tout de même, Paris m’apparaissait comme une ville faite de plusieurs villes sans lien les unes avec les autres, j’avais le sentiment que pour passer de l’une à l’autre, il fallait franchir des frontières, et des douanes, et parler d’autres langues.
Depuis, le campement – est-ce bien le mot ? C’est en tout cas celui qu’on utilise – de Stalingrad a été évacué et les trottoirs sont de nouveau vides. Un mouvement perpétuel. Car aussitôt ils se remplissent un peu plus loin. Comme c’est impressionnant, cette reconstitution instantanée de villages entiers, ces solidarités immédiates qui se créent, ces hommes qui attendent quelque chose – un avenir ?
Je ne sais pas quand cela a commencé. Mais cela fait des années, quinze ans, peut-être, ou plus, que des gens ont investi la rue. Des gens ? Investi ? J’ai conscience de cette approximation de langage. Disons qu’au début, il y avait quelques personnes qui dormaient dehors, qu’on appelait SDF, à l’époque, sans domicile fixe. Disons que lisant cette phrase d’Adorno décrivant les camps comme une sorte de préfiguration de la vie future, écrivant que la seconde moitié du XX° siècle serait celle des habitations provisoires, je la trouvais prophétique – et que penser alors de ce commencement du XXI° siècle ? Camps de détention, de rétention, d’internement, où on rassemble les réfugiés. Lieux d’hébergement. Combien de millions de personnes vivent dans des habitats provisoires ? Et pour en revenir à Paris, le temps n’est pas loin où dans chaque rue, plus encore que des gens assis sur le trottoir, un gobelet posé devant eux pour recueillir un peu d’argent et un carton où figurent quelques mots mal écrits, mal orthographiés – j’ai faim, pour mes enfants, s’il vous plaît – plus encore que des gens assis, on verra dans chaque rue une forme allongée dissimulée sous une couverture de survie, sous un duvet, avec près d’elle un peu de nourriture, des sacs plastique, chaque soir, chaque matin, et l’après-midi, quelques affaires grossièrement recouvertes d’une bâche de fortune pour les protéger de la convoitise. Car ceux qui n’ont presque rien ont encore quelque chose qui pourrait leur être volé. Car la rue n’est pas un lieu de convivialité. Et je ne parle pas des familles qui vivent dans des voitures parce qu’elles n’ont plus les moyens de payer un loyer. Et cette ville fantôme qui ne cesse de croître, nous qui pouvons remplir des formulaires en indiquant sans hésitation notre adresse, comme si elle était naturelle, comme si elle faisait partie de nous, qu’elle ne puisse jamais nous être retirée, nous la parcourons sans y croire, je veux dire, bien sûr nous la voyons s’étendre mais nous continuons de faire comme si de rien n’était, comme s’ils étaient l’exception et nous la règle, alors que la balance, peu à peu, penche de leur côté.
Fragile – lorsque j’entends ce mot, c’est à cette ville d’ombre que je pense. À ce danger qui fut d’abord invisible, ou plutôt à peine visible, et qui se précise – ne dit-on pas des laissés pour compte qu’ils sont laissés sur le bord de la route ? Eh bien ils l’habitent, désormais, le bord de la route, le bord de la rue. Et ils sont l’annonce, l’image, la métaphore de ces dangers que nous voyons venir sans les voir vraiment venir et qui poursuivent leur chemin bien plus sûrement que nous, qui le continuons les yeux fermés sur une route toute tracée.
La société se décompose, l’Europe se décompose, les murs remplacent peu à peu les ponts, et des mots comme circulation, fluidité, n’auront bientôt plus cours ou ne pourront plus désigner qu’un âge d’or dont le monde sera nostalgique.
Je me souviens d’une lecture, au milieu des années 70, je crois, un roman de Doris Lessing – l’as-tu lu ? – qui s’appelait Mémoires d’une survivante. Il décrit une société où des bandes de jeunes ont pris possession de Londres. Les habitants fuient une ville livrée à la violence, au chaos. En ce temps-là la violence des rues était marginale, en ce temps-là, à Paris, seuls ceux qu’on appelait les clochards vivaient sous les ponts. Mais Doris Lessing avait vu la pente qui se dessinait et n’est-ce pas l’essence même de la littérature que de contenir l’invisible ou plutôt, de contenir ce qui n’est pas encore visible mais qu’on pressent, si on est aux aguets, si on est à l’écoute de ce qui se produit ? Car l’écrivain est un gardien de phare qui veille, du haut de sa tour, et scrute la mer alentour, et aperçoit parmi les premiers l’embarcation qui fera naufrage. Il n’a pas les moyens d’intervenir mais il donne l’alerte, en espérant qu’elle sera entendue et que, depuis la côte, les bateaux de sauvetage viendront – même si souvent, comme ce fut le cas pour ce roman de Doris Lessing, l’écrivain n’empêche rien de se produire mais demeure le témoin, pour les temps à venir, de cette vigilance, encourageant les auteurs qui suivront, les lecteurs qui suivront, à regarder mieux encore, à écouter mieux encore.